Mehrwertsteuersenkung zum 1.7.2020

Der Gesetzgeber lässt uns nicht allein und lässt sich in diesen Tagen immer wieder neue Geschenke einfallen. Zum 1.7.2020 soll die Mehrwertsteuer von 19% auf 16% gesenkt werden und der ermäßigte Steuersatz von 7% auf 5%. Das ist grundsätzlich zu begrüßen. Es ist gut, wenn man in der Krise nicht allein gelassen wird und Unterstützung erfährt, ein Licht am Ende des Tunnels sieht, Hoffnung wieder erlangt.

Es muss aber auch gesagt werden, dass mit dem Skonto für Endverbraucher in Höhe von 2% oder 3% viele praktische Schwierigkeiten für Unternehmer einhergehen. Alle Unternehmer bemühen gerade gleichzeitig den Support ihres Softwareanbieters um die Rechnungsschreibung anzupassen, um ihre Kassensysteme und Buchhaltungsprogramm umzustellen. Gerade gedruckte Kataloge sind für den Papierkorb, Angebote müssen neu geschrieben werden, Vorschussrechnungen müssen korrigiert werden, Preisschilder müssen neu geschrieben werden.

Zusätzlich tauchen viele Anwendungsfragen auf, die meine Mandanten mir in den letzten zwei Wochen stellen und die ich gerne versuche zu beantworten, allerdings immer vor dem Hintergrund, dass auch ich das endgültige Gesetz noch gar nicht kenne.

 

Das Gesetz wird vermutlich Ende Juni verabschiedet und gilt dann direkt ab 1.7.2020. In einer ohnehin turbulenten Zeit darf der Unternehmer sich zusätzlich noch mit der Implementierung der Mehrwertsteuersenkung in seine Systeme beschäftigen, unter großem Zeitdruck und derzeit noch ohne gesetzliche Grundlage. Der ganze Aufwand lohnt sich nicht mal nachhaltig, da wir mal eben für 6 Monate alles auf den Kopf stellen. Zum Jahreswechsel haben wir dann den gleichen Spaß nochmal.

Ich weiß nicht, ob das in einer gesunden Relation zu den 2-3% Preisnachlass für Konsumenten für 6 Monate steht. Aus meiner Sicht steht das in keinem Verhältnis, allerdings komme ich privat auch ohne den 3%-6-Monats-Rabatt gut über die Runden, bekomme auf der anderen Seite alle Probleme meiner Mandanten hautnah mit und weiß auch selbst noch nicht, wann mein Rechnungs- und Buchhaltungsprogramm das Update von der DATEV bekommt. Es mag auf der anderen Seite viele Menschen geben, denen die 3 % gerade wirklich gut tun und die ganz andere Probleme haben als die Unternehmer und Unternehmen. Deshalb ist natürlich auch jede andere Meinung als meine legitim. Vielleicht hätte es aber auch andere Möglichkeiten gegeben, diesen Menschen zu helfen, anstatt die 3% mit der Gießkanne zu verteilen, also auch an jene, die sie gar nicht benötigen. Diskussionswürdig ist diese Mehrwertsteuersenkung damit in jedem Fall.

 

Das sollte reichen an persönlicher Kritik. Kommen wir zu der praktischen Anwendung und den immer wieder auftretenden Fragen. Habt ihr weitere Fragen? Dann lasst mir diese bitte zukommen, ich werde diesen Artikel immer wieder updaten. Die aktuelle Version ist vom 17.6.2020.

 

Ab wann muss ich meine Rechnung mit 16 % Umsatzsteuer schreiben?

Das Gesetz tritt ab 1.7.2020 in Kraft. Allerdings könnte es sein, dass Du auch noch nach dem 1. Juli Rechnungen mit 19% schreiben musst. Relevant ist nämlich immer der Zeitpunkt der Lieferung oder Leistung. Hast du Deinem Kunden am 20. Juni eine Waschmaschine geliefert und schreibst am 2.7. die Rechnung dafür, ist der alte Umsatzsteuersatz von 19 % zu verwenden. Hast du Deinem Kunden bereits am 2.6.2020 eine Vorschussrechnung mit 19% Umsatzsteuer geschrieben, lieferst die Waschmaschine aber erst am 2.7.2020 aus, musst du die Rechnung korrigieren und mit 16% Umsatzsteuer neu schreiben.

 

Ich bin aber IST-Versteuerer und melde die Umsatzsteuer erst dann, wenn sie mir von meinem Kunden gezahlt wurde. 

Für den IST-Versteuerer gilt genau das gleiche. Relevant für die Wahl des Umsatzsteuersatzes ist einzig der Zeitpunkt der Lieferung oder Leistung. Auch wenn die am 20. Juni gelieferte Waschmaschine erst am 2. Juli bezahlt wird und damit auch erst in der Umsatzsteuervoranmeldung Juli angegeben wird, muss trotzdem der noch im Juni gültige Steuersatz von 19% verwendet werden, da der Lieferzeitpunkt im Juni lag.

 

Ich erbringe eine Leistung vom 20. Juni bis zum 5. Juli. Muss ich in meiner Rechnung die Steuersätze 16 % und 19 % anteilig verwenden?

Nein. Wenn eine einheitlich Leistung vorliegt, ist der Zeitpunkt der Beendigung der Leistung maßgeblich. Sie müssen Ihre Leistung, die am 5. Juli fertig gestellt wird, also komplett mit 16 % Umsatzsteuer abrechnen. Nur wenn tatsächlich voneinander abgrenzbare Teilleistungen vorliegen, die vor dem 1.7. abgeschlossen sind, müssen diese Teilleistungen mit 16 % Umsatzsteuer abgerechnet werden. Wer sich genauer anschauen möchte, wann eine Teilleistung oder Teillieferung vorliegt, sollte sich Randziffer 22 des unten verlinkten BMF Schreibens ansehen.

 

Ich bin Vermieter und vermiete umsatzsteuerpflichtig. Was ist zu beachten?

Die Miete wird meistens monatlich vereinbart und ist daher eine abgrenzbare Teilleistung. Aus diesem Grund wird die Junimiete noch mit 19 % Umsatzsteuer versteuert und von Juli bis Dezember werden 16 % Umsatzsteuer gezahlt.

 

Ist es sinnvoll, dass ich jetzt noch mein Lager auffülle, weil die Vorsteuererstattung höher ist? 

Nein. Sämtliche Überlegungen, Steuern zu sparen, greifen nicht bei Geschäftsbeziehungen zwischen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmen, da die Umsatzsteuer nur ein durchlaufender Posten ist. Zahlst Du 19% Vorsteuer, erstattet Dir das Finanzamt 19% und zahlst Du nur 16% Vorsteuer, erstattet Dir das Finanzamt eben genau diesen Betrag.

 

Ist es für meine Kunden sinnvoll, wenn ich mit der Lieferung der Waschmaschine noch bis Juli warte?

Wenn Dein Kunde ein Waschsalon ist, der vorsteuerabzugsberechtigt ist, ist der Zeitpunkt der Lieferung egal. Lieferst du noch im Juni, stehen auf der Rechnung 19% Umsatzsteuer und Dein Kunde erhält genau diesen Betrag vom Finanzamt zurück. Lieferst du im Juli, stehen auf Deiner Rechnung 16% Umsatzsteuer, der Kunde zahlt Dir etwas weniger Umsatzsteuer als bei der Juni-Lieferung, erhält aber auch genau die Differenz weniger vom Finanzamt zurück. Der Nettobetrag der Rechnung ist identisch und die tatsächliche Belastung für Deinen Kunden auch. Dein Nettoumsatz ist auch identisch.

Ist Dein Kunde aber eine Privatperson, solltest Du mit der Lieferung noch bis Juli warten, um Deinem Kunden einen Gefallen zu tun. Der Privatkunde ist nicht vorsteuerabzugsberechtigt und erhält die Umsatzsteuer nicht vom Finanzamt zurück. Durch die Lieferung im Juli wird damit die Waschmaschine für ihn um 3% günstiger, bei Dir als Unternehmer bleibt aber der gleiche Gewinn hängen wie bei einer Lieferung im Juni.

 

Ich bekomme eine Lieferung aus Italien am 2.7.2020. Welcher Steuersatz gilt für den innergemeinschaftlichen Erwerb?

Die Mehrwertsteuersenkung gilt auch für innengemeinschaftliche Erwerbe, so dass die Lieferung aus Italien vom 2.7.2020 mit 16% Umsatzsteuer in die Umsatzsteuervoranmeldung eingeht.

 

Es gibt zwar noch kein gültiges Gesetz, aber das Finanzministerium hat ein BMF-Schreiben herausgebracht, in dem auf viele weitere Anwendungsfragen eingegangen wird.