Kurzarbeitergeld (KuG) und Einkommensteuererklärung 2020

Die Einkommensteuererklärung eines Jahres wird normalerweise frühestens im März des Folgejahres zum Thema. Vorher werden die Erklärungen weder in meiner Kanzlei noch im Finanzamt bearbeitet und auch die wenigsten Steuerpflichtigen beschäftigen sich vorher damit. Im Jahr 2020 war das anders. Viele Menschen hat das Thema Einkommensteuererklärung schon viel früher als sonst umgetrieben. Es hat sich nämlich herum gesprochen, dass…

  1. …für jemanden, der in 2020 Kurzarbeitergeld (KuG) bezogen hat, eine Pflicht besteht, für 2020 eine Einkommensteuererklärung abzugeben, auch wenn man bisher nie eine machen musste.
  2. …in vielen dieser Fälle auch mit Nachzahlungen zu rechnen ist. Wie kann das sein, wenn das Kurzarbeitergeld doch eigentlich steuerfrei ist?

Der erste Punkt resultiert ganz logisch aus dem zweiten Punkt. Wenn Nachzahlungen entstehen (können), hat das Finanzamt natürlich ein Interesse daran, dass die Einkommensteuererklärung abgegeben wird. Deshalb sind die gesetzlichen Regelungen genau so gestrickt, dass immer dann auch eine Erklärungspflicht eintritt. Dieser Blogartikel soll die Frage klären, warum durch das Kurzarbeitergeld evtl. eine Einkommensteuernachzahlung entsteht.

 

Dazu erstmal etwas Grundsätzliches:

Die Einkommensteuer ist in Deutschland progressiv gestaltet. Das bedeutet, dass der prozentuale Durchschnittssteuersatz mit der Höhe des Einkommens ansteigt. Bis 9.408 Euro Jahreseinkommen zahlt die*der Steuerpflichtige in 2020 gar keine Steuern, das ist der sogenannte Grundfreibetrag. Ab 9.408 Euro steigen wir mit etwa 14 % für jeden Euro der hinzu kommt ein in die Progression. Jeder Euro über 10.000 € liegt schon 15 % Einkommensteuer, ab 20.000 € gehen von jedem Euro 26 % an den Staat und bei etwa 57.000 Euro ist der Spitzensteuersatz erreicht. Jeder Euro darüber wird mit 42 % besteuert. Die prozentuale Besteuerung des Einkommens steigt also mit jedem verdienten Euro an, ab 57.000 € ist die Kurve flach.

Wer exakt 57.000 zu versteuern hat, hat also einen sogenannten Grenzsteuersatz von 42 %, weil jeder zusätzliche Euro 42 cent Steuern kosten würde. Der persönliche Durchschnittssteuersatz liegt jedoch nur bei etwa 26 %, da die 57.000 € überwiegend mit geringeren Steuersätzen besteuert wurden und nur der letzte Euro 42 cent gekostet hat. Die ersten 9408 Euro (Grundfreibetrag) haben gar nichts gekostet. Danach haben sich die Prozentsätze von 14 % bis 42 % wie oben beschrieben kontinuierlich aufgebaut. Wenn wir die Kurve des Durchschnittssteuersatzes über die Kurve des Grenzsteuersatzes legen, sieht das folgendermaßen aus:

Was hat das nun mit der Kurzarbeit zu tun?

Wir machen ein Beispiel, die Zahlen haben wir zum Verständnis etwas vereinfacht. Ein*e Arbeitnehmer*in ist in Steuerklasse 1, verdient 3.000 brutto im Monat. Bei einem Jahreseinkommen von 36.000 € ist ohne Kurzarbeit eine Einkommensteuer in Höhe von etwa 7.000 € zu zahlen. DAs entspricht einer Durchschnittsbelastung von etwa 19,5 % und einen Grenzsteuersatz von etwa 33 %. Die*Der Arbeitnehmer*in hat monatlich Lohnsteuer von 583,33 Euro gezahlt, so dass am Jahresende weder eine Nachzahlung noch eine Erstattung fällig wird. Alle Steuern sind über die monatliche Lohnsteuer bereits gezahlt.1 

Genau diese(r) Arbeitnehmer*in war aber in 2020 seit April in 50 % Kurzarbeit. Sie/er hat also von Januar bis März 3.000 Monatsgehalt bekommen und ab April nur noch 1.500 Euro Monatsgehalt und dazu 750 Euro (vereinfachter Wert) Kurzarbeitergeld. Sie/er kommt also insgesamt auf 22.500 € (3x3.000 + 9x1.500) zu versteuerndes Arbeitseinkommen. Das Kurzarbeitergeld beträgt 6.750 € (9x750) für das gesamte Jahre 2020 und ist grundsätzlich steuerfrei. Allerdings unterliegt das Kurzarbeitergeld dem Progressionsvorbehalt und genau das führt zu einer Nachzahlung in der Einkommensteuer. 

 

Woran liegt das?

22.500 € würden normalerweise mit einem Durchschnittssteuersatz von 13,5 % besteuert, es würde eine Einkommensteuer von etwa 3.000 Euro gezahlt. Dies ist in etwa auch der Betrag, den die/der Arbeitnehmer*in bereits im Rahmen der Lohnsteuer gezahlt hat. Es würde also wieder etwa auf 0 ausgehen, wenn man eine Einkommensteuererklärung abgäbe. Weder eine nennenswerte Erstattung noch eine nennenswerte Nachzahlung würde herauskommen. Nun kommt aber die Besonderheit des Kurzarbeitergeldes ins Spiel. Die 6.750 € werden nicht direkt besteuert, sie werden aber bei der Bemessung des Durchschnittssteuersatzes dazu addiert. Wir schauen uns also an, bei welchem Durchschnittssteuersatz wir bei 29.250 € (22.500 € + 6.750 €) Jahreseinkommen liegen. Das sind etwa 17 %. Das heißt, dass die 22.500 € Arbeitseinkommen nicht mit 13,5 % besteuert werden, sondern mit 17 % und genau das ist der oben genannte Progressionsvorbehalt. Die Einkommensteuerbelastung liegt damit bei etwa 3.800 € anstatt 3.000 €, so dass die*der Steuerpflichtige 800 € Einkommensteuer im Rahmen ihrer*seiner Einkommensteuererklärung nachzahlen muss, weil sie*er über die Lohnsteuer erst 3.000 € vorausgezahlt hat.

 

Was bedeutet das für meine eigene Einkommensteuererklärung und -nachzahlung?

Die Werte in diesem Beispiel sind stark vereinfacht. Sie sind für eine tatsächliche Berechnung der persönlichen Nachzahlung ungeeignet. Viel mehr ging es in diesem Artikel darum, den Grund für die mögliche Einkommensteuernachzahlung im Corona-Jahr 2020 zu erläutern und verständlich zu machen.

Es kann theoretisch auch sein, dass man trotz Kurzarbeitergeld eine Erstattung erhält. Dies hängt im Wesentlichen von der Dauer der Kurzarbeit und dem Anteil der Kurzarbeit in den einzelnen Monaten ab. Im obigen Beispiel ergibt sich bei 50 % Kurzarbeit eine Nachzahlung. In einem anderen Fall von 9 Monaten 100%iger Kurzarbeit in 2020 würde der*dem Arbeitnehmer*in sogar oft eine Erstattung zustehen, da die in den ersten 3 Monaten gezahlte Lohnsteuer auf das Jahr gesehen viel zu hoch bemessen war und dann mit der Steuererklärung erstattet wird. Einen weiteren Effekt auf das Ergebnis in der Steuererklärung hat natürlich auch die Steuerklassenwahl bei Ehegatten, da diese einen Einfluss darauf hat, wieviel Lohnsteuer unterjährig bereits gezahlt wurde. Es ist also immer der Einzelfall zu prüfen. Die hier genannten Beispiele dienen einer ersten Orientierung, ob man eher mit einer Nachzahlung oder einer Erstattung zu rechnen hat.

 

Wie kann ich mir das konkret in meinem Fall ausrechnen?

Für eine Berechnung der Mehrbelastung durch das Kurzarbeitergeld kann dieser Rechner herangezogen werden:

Smart-Rechner.de Kurzarbeit

Beim zu versteuernden Einkommen ist das Jahresbrutto ohne Kurzarbeitergeld einzugeben, abzgl. eventueller Werbungskosten (mindestens 1.000 Euro Arbeitnehmerpauschbetrag) und abzüglich der Sonderausgaben (im Wesentlichen die gezahlten Sozialversicherungsbeiträge). Das erhaltene Kurzarbeitergeld ist bei „Leistungen mit Progressionsvorbehalt“ einzutragen. Die ausgerechnete Steuerzahlung kann man mit der im Jahr 2020 vorausgezahlten Lohnsteuer vergleichen und so herausfinden, ob es zu einer Nachzahlung oder Erstattung kommt und wenn ja, in welcher Höhe. Wer es noch genauer wissen möchte, kann seine vollständigen Daten direkt bei Elster oder einer anderen Software zur Erstellung der Einkommensteuererklärung eingeben oder einfach das Steuerbüro des Vertrauens mit der Erstellung der Einkommensteuererklärung 2020 beauftragen. 

 

1Wir wissen, dass man in diesem Beispiel eigentlich noch den Arbeitnehmerpauschbetrag und Sonderausgaben, wie Krankenversicherungs- und Rentenversicherungsbeiträge berücksichtigen müsste. Das ist aber für dieses Beispiel nicht wichtig und würde es unnötig verkomplizieren, deshalb vernachlässigen wir diese abzugsfähigen Kosten.